Seit knapp zehn Monaten sind Cannabis-Anbauvereinigungen erlaubt. Mit als erster in Rheinland-Pfalz durfte ein Verein aus Rheinhessen loslegen. Auf dem Weg zu ersten Ernten musste er Lehrgeld zahlen.
„Dantes Inferno“ steht auf einem schwarzen Beutel, darin stecken Cannabisblüten. Auf sie sind die Macher des „Cannabis Social Clubs Rhoihesse“ in Wörrstadt besonders stolz. Das sei bislang ihr am besten gelungenes Produkt, sagt Daniel Ehrlich. Er ist Anbaurat bei dem Verein, der im Zuge der bundesweiten Cannabis-Teillegalisierung als zweiter in Rheinland-Pfalz eine Zulassung als Anbauvereinigung bekommen hat.
Zu Hause ist der Verein in einem Gebäude in einem Gewerbegebiet nahe der Autobahn 63. Am Clubhaus hängen noch Schilder einer früheren Shisha-Bar. Auf die Anbauvereinigung deutet nur ein simpel bedrucktes Blatt Papier hin, das im Wind weht. Andere Dinge hätten erst einmal Priorität gehabt, erklärt Ehrlich.
Was hat die Teillegalisierung gebracht?
Deutschlandweit wurde zum April 2024 mit dem Cannabisgesetz grundsätzlich der Besitz und Eigenanbau begrenzter Mengen an Cannabis für Volljährige erlaubt. Seit Juli vergangenen Jahres darf Cannabis in speziellen Vereinen wie dem in Wörrstadt gemeinschaftlich angebaut und an Mitglieder abgegeben werden. Der Konsum in den Räumen der Anbauvereinigungen ist nicht erlaubt, maximal 500 Mitglieder dürfen solche Vereine jeweils haben.
Die politische Kehrtwende unter der Ampel-Koalition in Berlin war und ist umstritten. In Rheinland-Pfalz etwa bemängelte kürzlich die Gewerkschaft der Polizei (GdP), dass mit der Teillegalisierung die Nachfrage nach Cannabis gestiegen sei. Kriminelle Strukturen seien gestärkt, der Gesundheitsschutz verschlechtert worden, die Anbauvereine könnten den Bedarf nicht decken.
Club will nach außen offen auftreten
Dem Verein in Wörrstadt ist es wichtig, offen nach außen aufzutreten, wie der 32-jährige Ehrlich sagt. Schon früh habe man den Kontakt zur Kommune gesucht. Mitglieder des Clubs hätten schon bei einer Veranstaltung mit Mitarbeitern kommunaler Ordnungsämter Fachwissen geteilt – etwa, dass getrocknetes Cannabis je nach Sorte unterschiedlich schwer ist – wichtig für Kontrollen. Das augenscheinliche Volumen sage wenig über das Gewicht aus, erklärt Ehrlich.
Für das Setzen, Düngen und Wässern der Pflanzen ist beim „Cannabis Social Clubs Rhoihesse“ ein etwa zehnköpfiges Kernteam zuständig. Es kümmert sich um drei Blüteräume mit je rund 120 Pflanzen. Die Stecklinge sitzen in Steinwolle, Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden genau überwacht, über den Pflanzen hängen höhenverstellbare Lampen. Bereits zweimal konnte der Verein ernten.
„Verwenden keine Wundermittel“
„Am Anfang haben wir viele Nerven verloren“, erinnert sich Ehrlich. Zwei Pumpen in einem Raum mit Nährstofftanks seien kaputtgegangen, weil in den Tanks ein Unterdruck entstanden sei. Gerade wurde mit einer Art akkubetriebener Brause für das Düngen experimentiert. Doch der Strahl ist zu kräftig, es bleibt vorerst beim handbetriebenen Sprüher.
„Wir verwenden keine Wundermittel“, sagt Ehrlich. Die Pflanzen bekämen nur mineralischen Dünger. Die mittlerweile 240 Mitglieder, die monatlich einen Grundbeitrag von zehn Euro zahlen müssen, können getrocknete Blüten, Haschisch oder Stecklinge verschiedener Sorten – darunter „Dantes Inferno“ – vom Verein kaufen. Eine Mindestabnahme gibt es nicht.
Die meisten Mitglieder kommen Ehrlich zufolge aus der Region, einzelne aus Hessen und dem Saarland. Alle Altersklassen seien vertreten, das Durchschnittsalter liege bei etwa 40 Jahren. Bestellungen bereitet das Team bekleidet mit weißen Einweg-Overalls vor, packt Beutel, steckt kleine Mengen Hasch in Döschen aus Mironglas, tiefviolettem, lichtundurchlässigem Glas.
Landesamt spricht von nahezu problemlosen Zulassungen
Seine Zulassung hat der Club vom in Rheinland-Pfalz zuständigen Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) im September 2024 erhalten. Laut Satzung darf er Cannabis produzieren und ausgeben. Ehrlich sagt, er habe den Eindruck, in Rheinland-Pfalz werde wohlwollender geprüft als etwa in Hessen.
Es gelinge grundsätzlich, die Genehmigungsverfahren der Anbauvereinigungen bei aktiver Mitwirkung im Rahmen der gesetzlichen Bearbeitungsfrist von höchstens drei Monaten abzuschließen, heißt es vom LSJV. Die Bereitschaft zur Mitwirkung sei bei Antragstellern regelmäßig hoch. Bis Ende März gingen beim LSJV 42 Anträge ein. 20 wurden bewilligt, einer abgelehnt, einer an ein anderes Land abgegeben, die anderen werden noch geprüft. Neben dem Wörrstädter Verein hatten bis Ende März zwei weitere Anbauvereinigungen geerntet.
Es braucht reichlich Technik
Verzögerungen entstünden in Einzelfällen nur, wenn Unterlagen nicht vollständig seien, sagt das LSJV. Im Austausch mit Kommunen werde ermittelt, ob Mindestabstände zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Spielplätzen eingehalten werden. Von Problemen sei nichts bekannt.
Der Wörrstädter Stadtbürgermeister Ingo Kleinfelder sagt, im Fall des dortigen Clubs sei auf die Distanz zur Kita eines nahen Unternehmens geschaut worden, die habe gepasst. Von einem Bürger sei er angesprochen worden, wie man das genehmigen könne. Große Diskussionen habe es aber nicht gegeben. Solche Vereinigungen seien nunmal legalisiert worden. „Es ist gesetzlich geregelt.“
Optimistischer Blick nach vorne trotz Regierungswechsels
Beim Wörrstädter Club flossen rund 300.000 Euro in Lampen, Klimaanlagen, Luftent- und -befeuchter, Bewässerungssysteme, Ventilatoren, Sensoren, Filter und mehr. Finanziert habe das ein Freund der Gründer, sagt Ehrlich. Er habe auch das Gebäude gekauft und Immobilie und Technik an den Verein vermietet.
Hat der Verein Zukunftsängste ob des Regierungswechsels in Berlin? Zwar haben Union und SPD eine Rücknahme der Cannabis-Teillegalisierung nicht im Koalitionsvertrag festgeschrieben, sich aber eine Evaluierung in die Bücher geschrieben. Ehrlich sagt: „Was die Entwicklungen in Berlin betrifft, blicken wir weiterhin positiv in die Zukunft. Wir sind zuversichtlich, dass die SPD eine mögliche Rückabwicklung durch die CDU blockieren wird und sich weiterhin für die Entkriminalisierung von Hunderttausenden Menschen einsetzt.“